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Hinweisgeberschutzgesetz – Dringender Handlungsbedarf für Arbeitgeber

Wenn Sie ein Unternehmen mit mindestens 50 Beschäftigten betreiben und sich bislang noch nicht mit den Vorgaben des Hinweisgeberschutzgesetzes befasst haben, sollten Sie die nachstehenden Informationen zum Anlass nehmen, unverzüglich das Erforderliche in die Wege zu leiten! Hierzu gehört die Errichtung einer internen Meldestelle. Ab 01. Dezember 2023 drohen erhebliche Bußgelder von bis zu 50.000 EUR! Den Vorschlag für eine effiziente Praxislösung finden Sie unter Ziffer 5.3.

Zur Beantwortung weiterer Fragen stehen wir gerne zur Verfügung.

1. Vorbemerkung
Durch die sog. „Whistleblower-Richtlinie“ (Richtlinie EU 2019/1937 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. Oktober 2019) sollte zum Schutz von Personen, die Verstöße gegen das Unionsrecht melden, ein ausgewogener und effizienter Hinweisgeberschutz auf europäischer Ebene geschaffen werden. Nach mehreren Anläufen und vielzähligen Änderungen im Gesetzgebungsverfahren ist das Hinweisgeberschutzgesetz zum 2. Juli 2023 in Kraft getreten.

Wegen der Komplexität der gesetzlichen Regelungen in dem 42 Paragrafen umfassenden Hinweisgeberschutzgesetz sowie der noch durch Literatur und Rechtsprechung zu klärenden Einzelfragen kann nachstehend zunächst nur ein Überblick über die wesentlichen Regelungen sowie den aktuell bestehenden dringenden Handlungsbedarf gegeben werden, um das notwendige Problembewusstsein zu schaffen.

2. Zielsetzung des Gesetzes – Frist zur Errichtung einer „internen Meldestelle“
In der Vergangenheit waren Hinweisgeber im deutschen Arbeitsrecht nicht durch ein einheitliches Gesetz vor Nachteilen am Arbeitsplatz bzw. bei der Ausführung ihrer Beschäftigung geschützt. Es herrschte folglich Unsicherheit darüber, was rechtlich zur Aufdeckung von Missständen zulässig war und welche Nachteile Hinweisgeber ggf. zu befürchten hatten. Dies soll sich durch das neue Hinweisgeberschutzgesetz sowie die darin vorgesehenen Mechanismen ändern.

Neben Errichtung sog. externer Meldestelle (§§ 19 ff. HinSchG) beim Bundesamt für Justiz oder bei den Ländern sind Arbeitgeber mit mindestens 50 Beschäftigten verpflichtet, eine sog. „interne Meldestelle“ zur Verfügung zu stellen. Diese gesetzlichen Anforderungen lösen zweifellos beachtlichen Handlungsbedarf in der Praxis und Aufwand auf Seiten der Arbeitgeber aus.

Das Gesetz wendet sich an alle Arbeitgeber, ganz unabhängig von der Branche oder Größe. Eine Pflicht zur Einrichtung interner Meldekanäle besteht jedoch nur für Arbeitgeber mit mindestens 50 Beschäftigten. Die freiwillige Einrichtung einer internen Meldestelle kann jedoch auch für klei-nere Unternehmen durchaus sinnvoll sein, um dadurch zu vermeiden, dass die Hinweisgeber sich von vornherein an externe Meldestellen wenden.

Trotz des Inkrafttretens des Gesetzes zum 02. Juli 2023 wurde privaten Arbeitgebern mit weniger als 250 Beschäftigten für die Einrichtung der gesetzlich geforderten internen Meldestelle eine „Schonfrist“ bis zum 17. Dezember 2023 eingeräumt. Dabei ist zu beachten, dass in gewissen Branchen, wie z.B. Wertpapierdienstleistungsunternehmen oder börsennotierte Unternehmen diese Verpflichtung sofort eintritt, sodass bereits jetzt eine interne Meldestelle eingerichtet sein muss, um sich gesetzeskonform zu verhalten. Ein Bußgeld bei Nichteinrichtung der Meldestelle droht auch dort jedoch erst ab 01. Dezember 2023. Allerdings gelten auch schon zuvor die neuen Anforderungen des Gesetzes, d. h. das Unternehmen ist bei Nichtumsetzung „non-compliant“.

3. Anwendungsbereich des Gesetzes
3.1 Persönlicher Anwendungsbereich
Der persönliche Anwendungsbereich (§ 1 HinSchG) beschränkt sich für hinweisgebende Personen nicht auf Arbeitnehmer sondern erfasst beispielsweise auch Praktikanten, Geschäftsführer, Leiharbeitnehmer, Mitarbeiter von Auftragnehmern oder Lieferanten, Stellenbewerber und Personen, deren Beschäftigungsverhältnis bereits beendet ist, wenn sie Verstöße an interne oder externe Meldestellen melden oder offenlegen.

Darüber hinaus werden – mit gewissen Einschränkungen – auch die Personen geschützt, die Gegenstand einer Meldung oder Offenlegung und dadurch betroffen sind.

3.2 Sachlicher Anwendungsbereich
Der sachliche Anwendungsbereich (§ 2 HinSchG) schützt thematisch gesehen zunächst Meldungen strafbewehrter und bußgeldwehrter Verstöße. Letztere jedoch nur, soweit die verletzte Vorschrift dem Schutz von Leben, Leib oder Gesundheit oder dem Schutz der Rechte von Beschäftigten oder ihrer Vertretungsorgane dient.

Der Katalog der relevanten Verstöße ist § 2 HinSchG zu entnehmen und füllt nahezu zwei DIN-A4 Seiten. Besondere praktische Relevanz im Arbeitsvertrag dürften Verstöße gegen die Pflicht zur Zahlung des Mindestlohns oder gegen das Arbeitszeitgesetz haben. Darüber hinaus sind jedoch auch Meldungen über Verstöße gegen z.B. Steuer- und Abgabenrecht, Geldwäschegesetz, Umweltschutz, Produktsicherheit, Datenschutz oder Kartellrecht geschützt.

Die hinweisgebenden Personen (sowie die sie vertraulich unterstützenden Personen und beispielsweise im Unternehmen mitarbeitenden Familienangehörigen) unterfallen nur dann dem Schutz des Hinweisgeberschutzgesetzes, wenn

– sie ihren Hinweis gemäß den entsprechenden Gesetzesvorgaben erstattet haben,
– sie zum Zeitpunkt der Meldung oder Offenlegung hinreichenden Grund zu der Annahme hatten, dass die betreffenden Informationen der Wahrheit entsprechen,
– die Informationen Verstöße betreffen, die in den Anwendungsbereich des Hinweisgeber-schutzgesetzes fallen (bzw. sie davon ausgehen durften) und
– sich der Hinweis auf den Beschäftigungsgeber oder eine andere Stelle, mit der die hinweis-gebende Person beruflich im Kontakt stand, bezieht.

Meldungen „ins Blaue hinein“ oder gar wissentlich falsche Meldungen sind somit nicht vom Schutz des Gesetzes erfasst!

4. Handlungspflichten des Arbeitgebers
Um die gesetzgeberische Zielsetzung eines umfassenden Schutzes von Hinweisgebern sicherzustellen, sieht das Gesetz folgende Maßnahmen vor:

– Unternehmen und Organisationen mit mindestens 50 Beschäftigten müssen sichere interne Hinweisgebersysteme installieren und betreiben,
– Hinweisgeber müssen die Möglichkeit erhalten, Hinweise mündlich, schriftlich oder auf Wunsch auch persönlich abzugeben,
– wird ein Hinweis abgegeben, muss die interne Meldestelle dies dem Hinweisgeber inner-halb von sieben Tagen bestätigen,
– binnen drei Monaten muss die Meldestelle den Hinweisgeber über die ergriffenen Maßnahmen informieren, beispielsweise über die Einleitung interner Compliance-Untersuchungen oder die Weiterleitung einer Meldung an die zuständige Behörde, etwa eine Strafverfolgungsbehörde,
– Hinweisgeber müssen frei bleiben in ihrer Entscheidung, ob sie eine entsprechende Meldung an die interne Meldestelle ihres Unternehmens abgeben oder die externe Meldestellen nutzen möchten, die beim Bundesamt für Justiz oder von den Bundesländern in eigener Verantwortung errichtet werden,
– auch anonymen Hinweisen soll nachgegangen werden,
– zum Schutz des Hinweisgebers vor Benachteiligungen enthält das Gesetz eine weitreichende Beweislastumkehr und Schutzmaßnahmen (vgl. § 33 ff. HinSchG),
– das Vertraulichkeitsgebot, der Datenschutz und der Identitätsschutz sind zu wahren.

5. Gesetzliche Anforderungen für die Errichtung einer internen Meldestelle
5.1 Besetzung der internen Meldestelle, Meldekanäle
Arbeitgeber haben mehrere Möglichkeiten, die internen Meldestellen zu besetzen und einzurichten. Der Gesetzgeber wollte insofern den Unternehmen einen gewissen Spielraum belassen. Vorgaben bestehen nur insoweit, als die Stellen alternativ mit einem eigenen Beschäftigten, einer Arbeitseinheit aus mehreren eigenen Beschäftigten oder aus einem externen Dritten zu besetzen ist (§ 14 Abs. 1 HinSchG). Die Arbeitgeber haben jedoch darauf zu achten, dass die in der Meldestelle Tätigen über die notwendige Sach- und Fachkunde fügen, ihre Kompetenzen, Unabhängigkeit und Weisungsfreiheit kennen, keine Interessenkonflikte bestehen und sie über ihre Vertraulichkeit und die Einhaltung des Datenschutzes aufgeklärt sind.

Die Arbeitgeber können digitale oder analoge Meldestellen oder auch eine Kombination hiervon errichten. Auch haben sie die Möglichkeit, bereits existierende Kommunikationskanäle zu nutzen. Es muss jedoch darauf geachtet werden, dass die Meldestelle auch für Leiharbeiter offensteht.

Das bußgeldbewehrte Vertraulichkeitsgebot (§ 8 HinSchG) soll ausdrücklich klarstellen, dass die Identitäten der Hinweisgeber und der von den Meldungen betroffenen Personen ausschließlich den Personen bekannt sein dürfen, die für die Entgegennahme der Meldung oder das Ergreifen von Folgemaßnahmen zuständig sind oder dabei unterstützen.

Trotz dieses Identitätsschutzes und des Vertraulichkeitsgebots müssen die Arbeitgeber jedoch dem gemeldeten Sachverhalt nachgehen und ggf. (auch arbeitsrechtliche) Maßnahmen ergreifen können. §§ 9 HinSchG regelt insofern die Ausnahmen vom Vertraulichkeitsgebot.

5.2 Erleichterungen für Konzerngesellschaften, gemeinsame Meldestellen
Der Gesetzgeber hat den beachtlichen Aufwand für die Errichtung einer solchen internen Melde-stelle erkannt und daher unter gewissen Voraussetzungen Erleichterungen vorgesehen. So besteht zum einen für Konzerngesellschaften die Möglichkeit, eine zentrale, konzernweite interne Meldestelle einzurichten. Eine gemeinsame Meldestelle können zum anderen auch mehrere private Arbeitgeber mit jeweils unter 250 Beschäftigten einrichten und betreiben. Die originäre Verantwortung verbleibt jedoch auch in diesen Fällen beim einzelnen Unternehmen und deren Geschäftsführung.

5.3 Externalisierung der internen Meldestelle – effiziente Praxislösung
In der Praxis wird die interne Meldestelle häufig ausgegliedert, d. h. ein externer Dritter übernimmt die Aufgaben der Meldestelle, wie dies in § 14 Abs. 1 HinSchG ausdrücklich vorgesehen ist. Der Gesetzgeber wollte hierdurch dem Arbeitgeber den enormen technischen, finanziellen und personellen Aufwand, den die Einrichtung einer eigenen internen Meldestelle bedeutet, ersparen, wenn sich dies in Anbetracht der Größe des Unternehmens nicht rechnen würde. Diese Externalisierung bringt für Arbeitgeber zudem den Vorteil, dass das Unternehmen umgehend rechtskonform auf-gestellt ist, ohne selbst eine Meldestelle bei sich operativ vorhalten zu müssen. Dies auch vor dem Hintergrund, dass überhaupt nicht absehbar ist, ob überhaupt oder in welchem Umfang mit dem Eingang von Meldungen von Hinweisgebern zu rechnen ist.

Die Gesetzesbegründung nennt als Dritte beispielhaft externe Berater, Prüfer, Gewerkschaftsvertreter, Arbeitnehmervertreter oder insbesondere auch Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte. Letztere müssten ihre standesrechtlichen Pflichten prüfen, um Interessenkonflikte oder eine Verletzung des Vertraulichkeitsgebots im Zusammenhang mit späterem Tätigwerden für den Arbeitgeber zu vermeiden.

5.4 Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates
Unternehmen mit Betriebsrat müssen bei der Ausgestaltung des Hinweisgebersystems Mitbestimmungsrechte beachten.

6. Verbot abweichender Vereinbarungen
Nach § 39 HinSchG sind Vereinbarungen unwirksam, welche die Rechte hinweisgebender Personen einschränken. Vorsichtige Arbeitgeber werden dies somit zum Anlass nehmen, ihre Arbeitsvertragsmuster anzupassen, damit etwa Versetzungs- oder Freistellungsklauseln nicht so formuliert sind, dass sie ein Versetzungs- oder Freistellungsrecht auch dann gewähren, wenn dies eine verbotene Repressalie wäre. Auch werden Geheimhaltungsklauseln so anzupassen sein, dass sie den Schutzbereich des Hinweisgeberschutzgesetzes nicht erfassen. Demgegenüber soll es nicht erforderlich sein, im Zeitpunkt des Inkrafttretens des Hinweisgeberschutzgesetzes bereits abgeschlossene Arbeitsverträge insoweit anzupassen.

7. Fazit
Die Zeit drängt. Wer sich trotz gesetzlicher Verpflichtung noch nicht mit der Errichtung einer internen Meldestelle beschäftigt hat, sollte dies nun zeitnah tun. Andernfalls drohen je nach Beschäftigtenzahl ab 01. Dezember 2023 empfindliche Bußgelder.

Sprechen Sie uns gerne an, wenn Sie Fragen zu dieser Mandanteninformation haben oder Beratung benötigen. Sie erreichen uns über alle Kanäle.

Ihre Angerer Hundt & Collegen Rechtsanwaltsgesellschaft mbH

Christof Hundt 
Fachanwalt für Arbeitsrecht 
Fachanwalt für Bau und Architektenrecht

Robin Berkey
Fachanwalt für Arbeitsrecht
Zertifizierter Berater für
Kündigungsschutzrecht (VDAA e.V.)

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SVEN ANGERER

Geschäftsführer

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seit 1997 Rechtsanwalt in Siegen
seit 2002 Fachanwalt für Steuerrecht

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